Alternierende Obhut (FAQ)
Inhalt
Warum eine alternierende Obhut?
Kinder bedürfen eines besonderen Rechtsschutzes. Für sie ist die Familie das Wichtigste im Leben (Kindermonitor UNICEF 2014). Die Trennung der Eltern ist ein grosser belastender Einschnitt im Leben eines Kindes. Umso mehr ist für sie nach einer Trennung der Eltern existenziell, den Kontakt zu beiden Eltern gleichmässig zu erhalten.
Wird nach einer Trennung nur ein minimales Besuchsrecht eingeräumt (alle 2-3 Wochen für wenige Stunden) besteht oft die Gefahr, dass Kinder in einen Loyalitätskonflikt geraten.
Mit einer alternierenden Obhut kann dem entgegen gewirkt werden.
Nebst dem Kindeswohl bringt ein Wechselmodell weitere Vorzüge. Die Eltern können beide erwerbstätig sein und bleiben. Dies fördert das Selbstbewusstsein, dies wiederum kommt ebenfalls dem Kind zugute. Die Erziehung und die anfallenden Pflichten werden geteilt. Nur noch in seltenen Fällen müssen die Eltern ihr Geld vom Sozialamt beziehen.
Aussagen, dass die Erwerbstätigkeit beider Eltern nicht zum Kindeswohl sei, muss überwunden werden. Denn Rituale wie Mittagstische sind ebenfalls förderlich für die Entwicklung des Kindes (andere Regeln, Anpassungsfähigkeit, neues Lernen, das soziale Zusammensein u.v.m). Das Gesamteinkommen der Eltern ist grösser, als wenn nur einer arbeiten geht bzw. der andere Sozialhilfe bezieht. Aufgrund der Situationslage senkt sich die Erziehungsbelastung für die Eltern im Gegensatz zu einer intakten und traditionellen Familie.
Welche Gefahren bestehen bei einem Antrag auf alternierende Obhut?
Einen Antrag auf eine alternierende Obhut signalisiert eine Anordnung gegen den Willen eines Elternteils.
Kinder, die in Obhut eines Elternteils sind, geraten bei einem Antrag auf alternierende Obhut meist in einen Loyalitätskonflikt. Da der oder die Obhutsberechtigte meist gegen diesen Antrag ist, erfährt das Kind bewusst oder auch unbewusst diesen Widerwillen. Das Kind, das bereits die Trennung der Eltern verkraften musste, wird erneut mit einem Ohnmachtsgefühl konfrontiert.
Nach Zivilprozessordnung können Kinder ab dem 6. Lebensjahr angehört werden. Oft nehmen sie die Meinung des Obhutsberechtigten an, weil sie es dem Elternteil, bei dem sie leben, recht machen wollen (Loyalitätskonflikt). Entsprechend ist es für Behörden oder Gerichte schwierig, ein Urteil zu fällen.
Welche Erfahrungswerte gibt es?
Die Behörden oder Gerichte sind aus oben dargestelltem Sachverhalt eher zurückhaltend mit der Anordnung der alternierenden Obhut.
In anderen Ländern wie z.B. Frankreich ist eine alternierende Obhut gesetzlich verankert und bedarf keines Antrages.
Diese Kinder haben dieselbe Chance in der Entwicklung wie diejenigen, die in einer intakten Familie aufwachsen.
Die Praxis zeigt, dass zerstrittene Eltern durchschnittlich nach ca. 2 Jahren ihren Konflikt bewältigt haben.
Alternierende Obhut - zu kompliziert?
Die Gegenbewegung bringt vielfach das Argument, dass eine alternierende Obhut zu kompliziert sei. Unbestritten scheint, dass in einer intakten Familie die Gestaltung der Betreuung einfacher ist, da meist die Kommunikation und der Wille für das gemeinsame "Managen" des Alltags vorhanden sind.
Nach einer Trennung spielen weitere Emotionen wie Enttäuschung und Verletzungen eine zentrale Rolle, die die sachliche Kommunikation erschweren. Neue, gegebenenfalls zusätzliche Regeln müssen erstellt werden, damit eine alternierende Obhut funktioniert - im Vergleich einer intakten Familie.
Eine alternierende Obhut bedingt das Einbringen beider Elternteile. Damit signalisieren sie, dass sie die Verantwortung für das Kind übernehmen bzw. auch abzugeben bereit sind. Das Signalisieren hat auch einen positiven Effekt auf das Kind. Es schenkt u.a. Vertrauen und Sicherheit - trotz Trennung oder Scheidung.
Eine alternierende Obhut kann auch für eine getrennt lebende Familie entlastend wirken. Die tägliche Erziehung wird auf beide Elternteile aufgeilt.
Alternierende Obhut bei hochstrittigen Eltern?
Bei einer alternierenden Obhut bedarf es nicht zwingend einer verbesserten Kommunikation. Vielmehr steht das Signalisieren der Bereitschaft für die Betreuung des Kindes im Vordergrund. Wirkt ein Elternteil dagegen, können Kindesschutzmassnahmen angeordnet werden. Je nach Konfliktgrad kann eine Besuchsbegleitung bei den Übergaben dabei sein.
Bei zerstrittenen Eltern empfiehlt sich eine niedrige Wechselfrequenz (d.h. 1 Woche bei dem einen und 1 Woche bei dem anderen Elternteil). Zusätzlich kann temporär der Kontakt zwischen den Eltern gänzlich durch die Besuchsbegleiter ersetzt werden. Dazu wird dem Besuchsbegleiter jeweils bei den Übergaben die notwendige Information weitergegeben.
Die Praxis zeigt, dass Konflikte gelöst werden können. UND: Trotz hochstrittigen Eltern hat das Kind einen regelmässigen Kontakt zu beiden Elternteilen.
Die Gerichte tun sich derzeit noch schwer, denn:
Unbestritten sei, dass die Ausübung der alternierenden Obhut nur dann im Kindeswohl liege, wenn die Parteien bezüglich aller Kinderbelange gesprächs- und kooperationsbereit seien. Studien würden belegen, dass das Wohl des Kindes weniger von der Ausgestaltung der elterlichen Sorge abhänge als vielmehr von der Art und Weise des Umgangs der Eltern sowie namentlich von deren Konfliktverhalten.
BGer 5A_55/2015 vom 20.08.2015